Glaub Dir nicht!

 

 

Dong!

Dong!

Dong!

Ich wehre mich gegen die Gongschläge, aber ich habe keine Chance. Wieder greife ich zum Ruder, wie die vielen anderen Männer und Frauen neben, hinter und vor mir. Zu den Schlägen des Gongs kommt nun das Knarren der riesigen Ruder, das Klirren unserer Ketten. Und schon hört man auch wieder die Peitsche durch die Luft sausen, um laut klatschend auf den Rücken eines Unglücklichen zu landen. Aber was heißt schon unglücklich? Eigentlich können wir ja froh sein, noch zu leben. Erst vor wenigen Tagen, irgendwo in irgendeinem Hafen, hatten wir wieder zwanzig Neue an Bord bekommen. Eine willkommene Gelegenheit für Zartorus, die Schwächsten von uns auszusondern. Sie durften noch zwei Tage an Bord bleiben, um zu sehen, wie sich die neuen Sklaven anstellen, dann hielten wir an. Zwanzig unserer Kameradinnen und Kameraden wurden ein letztes Mal durch das Ruderdeck gepeitscht. Es war schon schlimm anzusehen, wie sie, ausgemergelt, kaum mehr mit einem Fetzen am Körper, ihren letzten Gang antraten. Da empfindet man selbst die schlimmste Plackerei als schön, wenn sie nur dazu beiträgt, am Leben zu bleiben. Zwanzig Schreie, zwanzig mal ein Klatschen auf dem Wasser, das schnell mit dem Blut der Ausgestoßenen gefärbt wird. Haie sind gnadenlos. Wie unsere Aufseher!

Dong!

Dong!

Dong!

Neben mir sitzt eine Neue. Sie war einst eine hübsche Frau. Jetzt ist ihr Haar verfilzt, ihr Gesicht blau von den Schlägen. Wir legen uns ins Zeug, Die Galeere kommt langsam in Fahrt. Medilea heißt meine Nachbarin. Sie hat eine hübsche Brust, soweit man das durch ihre zerrissene Kleidung erkennen kann. So ein Wahnsinn! Da sitze ich hier, angekettet, rudere um mein Leben, und mache mir Gedanken um die Formen einer Frau! Langsam verliere ich wohl den Verstand.

Dong!

Dong!

Dong!

Immer schneller werden unsere Bewegungen. Medilea verhaspelt sich, kommt einmal nicht mit, rutscht von der Ruderbank. Sofort ist Zartorus, der oberste Sklaventreiber, zur Stelle. Er reißt an ihren Haaren, die Peitsche saust auf ihren Körper nieder. Wieder und wieder. Sie schreit! Ich schreie! „Lass sie los!" Zartorus lässt sie los. Und lässt die Peitschenhiebe nun auf mich nieder prasseln. Jetzt bin ich es, der um sein Leben zu fürchten hat. Ich habe nur das Glück, dass er nicht so recht in meine Reihe kommt. Zweimal wird der Schwung der Peitsche durch andere Sklavenkörper gebremst. Der Rhythmus der Ruderer gerät durcheinander. Das Geschrei der Aufseher zerstört den Wohlklang des Gongs. Zartorus lässt von mir ab. Ich bin gerettet. Vorerst.

Dong!

Dong!

Dong!

Ich werfe mich wieder in meine Arbeit. Ich gebe alles, was ich habe und würdige Medilea keines Blickes, die mir leise Worte des Dankes zuflüstert. „Sei still", sage ich, „ich höre den Gong nicht mehr". Irgendetwas ist anders.

Dong-dalupp!

Dong-dalupp!

Dong-dalupp!

Dalupp-dalupp-dalupp!

Ich öffne die Augen. Es ist dunkel. Stockdunkel. Und es ist still. Ich bin nass geschwitzt und liege. Wo eigentlich? Langsam klären sich meine Gedanken. Ich liege in meinem Bett. Ich habe geträumt. Bin ich froh! Aber es war alles so real!? Wie kann das sein?

Dong-dalupp!

Dong-dalupp!

Dong-dalupp!

Ein Stein fällt mir vom Herzen. Der Wasserhahn tropft! Jetzt ist mir klar, was diesen Traum ausgelöst hat. Ich stehe auf, wanke durch mein dunkles Schlafzimmer in die Küche und drehe den Hahn fest zu. Wenig später liege ich wieder in meinem Bett und genieße die Stille. Schlafen! Einfach nur schlafen!

 

 

Zartorus ist erleichtert. Fast wäre der Sklave gestorben. Ptaratos hätte das nicht gut gefunden und vielleicht sogar sein Gehalt gekürzt. Nun aber war ja alles gut. Diese Typen waren aber auch empfindlich! Da passt man einmal nicht auf, schon nehmen sie einen Umgebungsreiz auf, verstehen ihn falsch und drehen durch. Zum Glück hat irgendeine Schutzreaktion den Sklaven vor dem Kollaps bewahrt. Was da passiert ist? Egal, jetzt geht er wieder seiner Arbeit nach, lenkt das Schiff sicher. Es ist schon nicht einfach, Hilfsvölker zu finden, die den Belastungen stand halten. Aber diesmal ist ja alles gut gegangen.

Mit einem seiner zwölf Görgel fährt sich Zartorus erleichtert über den Hulork und lässt erschöpft den Krulk baumeln. Auf jeden Fall, denkt er sich, wäre es gut, wenn ich auf dem nächsten Planeten ein Ersatzgehirn für meinen Raumschiffcomputer kaufe.

Bei allen Qualitäten – Menschen sind einfach zu unberechenbar.

 

Thomas Becker

August 2000

 

Alle Rechte beim Autor.

 

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