Im Konvoi nach Luxor

 

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Das trifft für Ägypten ebenso zu wie für andere Länder, und doch in einem Fall noch etwas mehr. Es ist der Tross der Touristen, der sich täglich von Hurghada ins Landesinnere ergießt. Hurghada – Ziel für unzählige Pauschaltouristen, Badeoase am Roten Meer und Ausgangspunkt für Touren nach Luxor und Kairo. Früh am Morgen sammeln sich in den Hotels unausgeschlafene Urlauber, nehmen Lunchpakete in Empfang und begeben sich in die wartenden großen und kleinen Busse. Wer Luxor zu seinem Tagesausflugsziel erkoren hat, kann sich noch glücklich schätzen, denn mit insgesamt ca. acht Stunden Fahrzeit für Hin- und Rückreise spart er oder sie gegenüber der Pyramiden-Tour nach Kairo/Gizeh gut vier Stunden ein. Die Fahrt nach Luxor wird von den großen Reiseanbietern für 75 US-Dollar pro Person offeriert, Kinder bis zwölf Jahre zahlen die Hälfte. In jedem der größeren Hotels bietet aber auch mindestens ein einheimisches Reisebüro seine Dienste an, für zehn Dollar weniger pro Kopf, und bei geschicktem Handeln gehen dann auch mal 13- oder 14-jährige Jugendliche noch als Kinder durch. Das Programm ist bei allen Anbietern exakt gleich, diesbezüglich muss man also keine Sorge haben, übers Ohr gehauen zu werden. Wer sich nach Hurghada selbst begibt, kann die Luxor-Tour sogar für 50 Dollar buchen, ein schöner Gewinn für die Urlaubskasse. Wenn man auf eigene Faust bucht, sollte man sich zumindest das Auto anschauen, mit dem die Tour gemacht werden soll – man ist schließlich recht lange unterwegs. Eine günstige Verhandlungsbasis hat man, wenn sich zwei Familien zusammen schließen und einen Kleinbus chartern. Dann nämlich kann man selbst bestimmen, wie lange man wo bleibt und sich vielleicht sogar abseits der Hauptströme den einen oder anderen Geheimtipp zeigen lassen.

„Langschläfer" also starten ihre Luxor-Fahrt gegen 6 Uhr nach Safaga, um kurz vor dem Ort in Richtung der Berge abzubiegen. Dann ist die Reise erst einmal wieder zu Ende. Aussteigen ist angesagt, und dem Strom derer folgen, die ebenfalls aus ihren Bussen aussteigen und einen kleinen Berg erklimmen. Da wird es wohl eine schöne Aussicht geben, meint man, und wird, oben angekommen, eines Besseren belehrt. Ägypten ist beeindruckend, fraglos. Und dort, wo Wasser vorhanden ist, auch schön. Die meisten Plätze dieses vom Nil dominierten Landes sind aber karg, trist und wirklich nicht zum lustvollen Betrachten geeignet. Interessanter ist da schon der Blick zurück zum Bus, denn der steht schon lange nicht mehr allein.

„An guten Tagen sind es 150 Busse, die hier zusammen kommen", erklärt Reiseleiter Heny, einer von ca. 5000 offiziellen Touristenführern in Ägypten. Jeden Tag fünf Mal setzt sich der Konvoi durch die Berge in Bewegung, der erste Tross um sieben Uhr ist der größte. 120 Kilometer fährt man durch die Bergwüste, unterbrochen wird die Fahrt nur einmal durch eine Pause in einer aus drei Bereichen bestehenden Rastanlage. Die Toiletten sind sofort überfüllt, und dann ganz schnell wieder leer – keine einzige Spülung funktioniert. Aber dafür schmeckt der Kaffee um die Ecke, und mit kaltem Wasser kann man sich auch gleich noch einmal eindecken. Zum Glück funktioniert die Klimaanlage, und so kann man noch ein wenig Augenerholung betreiben, da die neben der Straße befindlichen Berge auf die Dauer alles andere als sehenswert sind. Einen Grund aber gibt es doch, die Augen nicht zu schließen: Die Platzkämpfe im Konvoi. Wir fahren in einem Tross mit 139 großen und kleinen Bussen. Die Straße nach Luxor ist eine ganz normale Landstraße, in den Kurven sind manchmal die Spuren voneinander getrennt. Wie das auf ganz normalen Landstraßen so ist, gibt es ab und zu auch Gegenverkehr. Das aber störte die Busfahrer nicht, von Zeit zu Zeit selbst in langen Kurven die Spur zu wechseln – eigentlich ist es ein Wunder, dass nicht täglich Busunfälle aus Ägypten gemeldet werden. Aber hier hat man die Ruhe weg. Wenn gerade in dritter Reihe überholt wird, und es kommt ein dicker Lkw entgegen, dann rückt man halt eng zusammen und da geht das schon. „Aaah, ITS", lässt sich Heny ab und zu vernehmen, wenn mal wieder ein besonders forsches Überholmanöver angesetzt wird. Besonders hervor tun sich allerdings die blauen Busse mit der Aufschrift „Travco", die eine extreme Gruppendynamik entwickeln und gnadenlos alle nicht Travco-Busse abdrängen und zu Bremsmanövern nötigen. So ist es auch kein Wunder, dass die Konvoi-Spitze schnell von der blauen Farbe beherrscht wird. Am Anfang und am Ende des Konvois fahren Polizeifahrzeuge. Deren Insassen sind scheinbar in erster Linie daran interessiert, das Ganze immer so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Jedenfalls geben sie mit 120 km/h ein Tempo vor, das 40 Sachen über der für Busse erlaubten Höchstgeschwindigkeit liegt, dem aber dennoch alle gnadenlos folgen. Nur an den schwer bewaffneten Kontrollposten an den Ortsein- und Ortsausgängen stockt die wilde Jagd. Endlich in Nilnähe angekommen, hören wegen des stärkeren Gegenverkehrs die Überholmanöver auf, bevor sich in Luxor selbst der Konvoi dann auflöst.

In der alten Stadt am Nil, mit ihren Tempeln, dem Tal der Könige und weiteren Sehenswürdigkeiten, vergeht die Zeit wie im Flug. Von Zeit zu Zeit sieht man sogar einen der Konvoi-Busse wieder, bevor am späten Nachmittag alle wieder dem Sammelpunkt zuströmen. Ein Geldschein wechselt den Besitzer, und schon stehen wir ganz vorn, gleich hinter der Polizei. Und auf geht’s. Der erste Teil der Strecke wird ganz harmonisch absolviert, in den Bergen aber brechen wieder alle Dämme. Es wird überholt, was der Motor hergibt, und das, obwohl man direkt vor sich auf der Straße kaum etwas sieht. Viele Ägypter schonen nämlich ihre Lichtmaschine. Sie fahren mit Standlicht, oder auch mal ganz ohne. Das trifft nicht nur für den Konvoi zu, wo es auch Sicht des Vorausfahrenden ja immer noch Sinn macht, sondern auch für Einzelfahrzeuge. Bemerken die dann einen Entgegenkommenden, blenden sie einmal richtig auf, so dass der erst einmal gar nichts mehr sieht, wegen der Blendung, und dann wieder nichts, weil er ja ohne Licht fährt. Nun, es funktioniert, und zumeist wohl auch ohne Unfälle. Trotzdem ist man irgendwie froh, wenn man Safaga wieder passiert und das Hotel im Blick hat.

Übrigens – der Konvoi dient der Sicherheit der Touristen vor Überfällen. An die Sicherheit vor wild gewordenen Busfahrern hat dabei aber wohl keiner gedacht.

Thomas BECKER

April 2001

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